WINTER 2006

REZENSION

WINTER 2006

REZENSION

Belletristik

Peter Stamm: An einem Tag wie diesem, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2006, 208 S., 17,90 Euro

“ Die Leere war sein Leben,...”

Andreas ist Schweizer, er lebt als Lehrer in Paris und hat zwei Geliebte, die ihn mehr oder weniger langweilen. Jegliche familiaere Bindungen oder Freundschaftsbeziehungen stellt der Protagonist in Frage, auch wenn er die Einsamkeit als bedrohlich reflektiert. Routiniert und gleichgueltig, obwohl er in seinem Beruf mit Menschen arbeitet, verlaufen die Tage des Anfang Vierzigjaehrigen. Ohne bemerkenswerte Emotionen beginnt er eine Affaere mit Delphine, einer 20-jaehrigen Referendarin, die von ihm Offenheit erwartet. Als Andreas, der Krebs vermutet, jedoch nach einer aerztlichen Untersuchung seines Raucherhustens sich sein Ergebnis abholen soll, erhaelt die Handlung Fahrt. Der Bruch im Leben des Protagonisten wird jedoch viel frueher eingeleitet. Andreas liest eine einfache Schulgeschichte ueber eine fruehe Liebe, die ihn haargenau an seine erste zu Fabien, der franzoesischen Austauschschuelerin, erinnert. Ohne sich dem medizinischen Untersuchungsergebnis stellen zu wollen, bricht Andreas alle Bruecken ab. Er verkauft in Windeseile seine Wohnung, kuendigt sein Arbeitsverhaeltnis und packt sein Hab und Gut in einen kleinen Koffer. Mit Delphine faehrt er an den Ort seiner Jugend und Erinnerungen. Fabien hat vor Jahren seinen Jugendfreund geheiratet und lebt in der Schweiz. Andreas naehert sich vorsichtig dieser mittlerweile fremden Frau und enttaeuscht Delphine zutiefst. Er will sich Klarheit ueber seine Lebensentscheidungen, Illusionen und Fantasien verschaffen und geraet dabei immer mehr in eine Schieflage.

Der Schweizer Autor Peter Stamm erzaehlt behutsam und mit einfachen Mittel. Seine Geschichte kennt keine Hoehepunkte, kein gefuehlsmaessiges Ueberborden, keine Ueberraschungen. Der erfahrene Leser weiss, wonach der Protagonist sucht. Die gefuehlsmaessige Abstinenz der Hauptfigur kann einerseits eine Distanz zum Leser aufbauen, andererseits aber auch eine beaengstigende Identifikation schaffen. Andreas reflektiert ueber seine Lebensunlust erst im Angesicht der Endlichkeit. Peter Stamm schafft es, innere Prozesse glaubhaft darzustellen. Das ist eine grosse Kunst. Er schreibt hart an der Grenze zur Langeweile und doch ist “ An einem Tag wie diesem” ein Buch, dass einen nicht loslaesst, beschaeftigt, veraergert und auch wieder mit dem Leben versoehnt.

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