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WINTER 2006 | |||||||||||||||||
REZENSION |
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Belletristik |
Richard Powers: Das Echo der Erinnerung, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2006, 544 Seiten, 19, 90 Euro Der US-Amerikaner Richard Powers widmet sich in seinem neuen Roman den Themen Hirnforschung und Identitaetsfindung, die in diesem Herbst im Zentrum mehrerer Neuerscheinungen stehen. Das Wunder des Gehirns ist offensichtlich ein spannendes Feld, das der Autor aber noch durch das Genre des Krimis erweitert. Der 27-jaehrige Mark hat einen schweren, wie raetselhaften Unfall. Mit seinem Truck verursacht er auf einer kerzengeraden Straße in Nebraska, mitten im US-amerikanischen Nirgendwo, einen fast toedlichen Autounfall. Offensichtlich sind noch zwei weitere Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt. War es ein Anschlag auf Marks Leben? Doch wozu sollte jemand einen einfachen Arbeiter einer Fleischfabrik toeten wollen? Ein anonymer Anruf, ein Zettel im Krankenhaus - ein Kette von Ungereimtheiten tritt erst mal in den Hintergrund. Mit schweren Hirnverletzungen landet Mark auf der Intensivstation. Karin, seine aeltere Schwester, gibt ihren Job auf und widmet sich ganz ihrem Bruder, zu dem sie schon immer einer enge Beziehung hatte. In Erinnerungsfetzen laesst Karin vor ihrem inneren Auge am Krankenbett des Bruders ihre entbehrungsreiche Kindheit, die ueberschattet wurde durch den religioesen Fanatismus ihrer Eltern, vorbeiziehen. Marks Zustand bessert sich. Er erwacht aus dem Koma und erkennt als Folge eines Schaedel-Hirn-Traumas seine eigene Schwester nicht mehr. Vehement lehnt er ihre Fuersorge ab und behauptet sie wuerde seiner Schwester schon aehnlich sehen, sei aber eine Schauspielerin. Auch sein Haus und seinen Hund erkennt Mark nicht wieder. Mark vermutet eine Falle, ein Komplott und verstrickt sich immer mehr in paranoiden Fantasien. Karin, am Ende ihrer Kraefte, schickt dem bekannten Neurologen und Bestsellerautor Gerald Weber eine E-Mail. Weber kommt nach Nebraska und schaut sich Mark an. Er diagnostiziert: Capras-Syndrom. Doch Weber stoesst an die eigenen Grenzen und verliert seine berufliche Sicherheit angesichts der Raetselhaftigkeit dieses einen Falles. Richard Powers erzaehlt aus verschiedenen Perspektiven. Eine wichtige Ebene des voluminoesen Romans sind die Kraniche als Schluesselsymbol. Die Kraniche stehen im Roman für die Weisheit der Natur, die das Leben unabhaengig von allen wissenschaftlichen Erkenntnissen funktionieren laesst. Der Autor hat seine komplexe Handlung in Kearney angesiedelt, weil dort eines der groessten Rastgebiete fuer Zugvoegel liegt. Die Kraniche lernen im ersten Lebensjahr ihre Route von den Eltern und vergessen sie nie mehr. Sie koennen sich auf ihre “ Landkarte der Erinnerungen” verlassen. Wie troestlich oder auch bedenklich, die Natur funktioniert auch ohne den menschlichen Verstand. Der Mensch glaubt alles zu beherrschen, fuehlt sich anderen Kreaturen ueberlegen und stoesst unweigerlich an seine Grenzen. Richard Powers hat einen spannenden, nachdenklich stimmenden Roman ueber die menschlichen Faehigkeiten und ihre Beschraenkungen geschrieben. Dabei wird man nicht truebsinnig, denn der amerikanische Autor brilliert durch seine Kenntnisse wie durch seinen Humor. “ die Haelfte der Menschheit litt unter dem einen oder anderen Hirnschaden.” Richard Powers Roman ist ein infizierendes Lesevergnuegen.
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