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WINTER 2006

REZENSION

WINTER 2006
REZENSION
Belletristik

Jugendbuch

Julie Anne Peters: Luna, Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv junior, Muenchen 2006, 334 S., 10 Euro

Luna liebt die Nachtstunden. Sie kann Kleider anprobieren, Maedchenunterwaesche tragen, Nagellack auftragen, sich schminken und sie selbst sein. Wenn der Tag anbricht ist das Tanzen im Mondschein vorbei, Luna wird wieder Liam, 17 Jahre und Regans Bruder. Regan ist die Einzige, die von Liams Geheimnis weiss. Sie liebt ihren aelteren, aeusserst klugen, charmanten Bruder, opfert ihren Schlaf fuer sein Nachtleben, ist seine engste Kontaktperson, sein Kummerkasten, sein Publikum und hoffnungslos ueberfordert.

Regan erzaehlt von ihrem ungewoehnlichen Bruder und dem eigenen inneren Kampf. Aus ihrer teils ironischen Sichtweise wird dem Leser klar, dass Liams staendige Vereinnahmung die Schwester einsam gemacht hat. Niemand ist da mit dem sie ueber ihre Probleme reden kann. Der Bruder, nach dem sich die Maedchen umschauen und ihn anschwaermen, ist nun nach Verleugnungen, einem Selbstmordversucht und dem staendigen Versteckspielen an einem Punkt angekommen, an dem er seine wahre Identitaet nicht mehr verbergen will, er moechte sich auch seiner Umwelt als Maedchen zeigen. Doch wie wird sein bodenstaendiger Vater reagieren, der vermutet, dass der Sohn schwul ist. Wie wird die staendig beschaeftigte, leicht hysterische Mutter, die nur im Befehlston mit den Familienmitgliedern kommuniziert, mit dieser Offenbarung umgehen? Es ist auch zu vermuten, dass die Mutter laengst ahnt, wie es ihrem Sohn geht. Fuer Regan sollte alles so bleiben, wie es ist, denn auch sie kann kaum mit der Tatsache umgehen, dass ihr Bruder oeffentlich wie eine Frau leben moechte. Sie fuerchtet sich wie Liam vor der Verachtung, Verspottung der Menschen, die ihnen nahe stehen. Doch Liam will den “Uebergang”. Immer wieder erinnert sich Regan in Rueckblenden an ihre gemeinsame Kindheit, an Momente, in denen die deutlichen Zeichen einfach nicht mehr zu uebersehen waren. Liam wuenscht sich zu seinem 9. Geburtstag eine Barbie im Ballkleid und einen BH. Die Eltern lachen ueber ihren witzigen Sohn und seine so ausgefallenen Wuensche. Schockiert reagieren alle als der Junge durchdreht, weil er sein Geschenk, den ersehnten BH, nicht findet. Liams Leidensweg von der Entdeckung seiner Transsexualitaet bis zur Offenbarung der Tatsache ist ein langer und muehseliger. Teilen kann er ihn nur mit seiner Schwester.

Julie Anne Peters hat ein aussergewoehnliches Buch geschrieben, denn sie bleibt konsequent in der Zeichnung der Charaktere und der Gestaltung der dramatischen Situationen. Ohne Sentimentalitaet zeigt sie eine normale, amerikanische Familie, in der sich die Familienmitglieder entfremdet haben. Der Vater erwartet vom Sohn ein rollengemaesses Verhalten, das bedeutet in einer Sportmannschaft sein, sich mit Freunden treffen, Dates haben. Die Mutter verdraengt die Sorgen ihrer Kinder, nimmt sie nicht ernst, verschliesst die Augen und verlagert ihre Energien in die stressige Arbeit. Hinter der Fassade von Werten in der Familie wie Harmonie, Vertrauen oder Verstaendnis verbergen sich Hilflosigkeit, Verleugnen, einfach Wegsehen und sich nicht auseinandersetzen wollen mit der Transssexualitaet des Sohnes. Liams Lebensvorstellungen laufen den moralischen, gesellschaftlichen Konventionen entgegen. Doch letztendlich zerbrechen weder Regan noch Liam. Der optimistische Ausgang der Geschichte mag konsturiert sein und gibt doch Hoffnung.


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