REZENSION |
Januar 2006 | ||||||||||||||||
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REZENSION | |||||||||||||||||
Jutta Voigt: Der Geschmack des Ostens, Vom Essen, Trinken und Leben in der DDR, Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin 2005, Seiten, 16 Euro Wie absurd und teilweise demuetigend der gelegentliche Besuch von DDR-Gaststaetten in den achtziger Jahren war, faengt die bekannte Publizistin Jutta Voigt ( Veroeffentlichungen, u.a. " Die Zeit ", " Freitag"), in einer markanten Szene im damaligen, heute laengst abgerissenen Berliner Palasthotel ein, wo Gerichte mit besonderem Aufwand dem Gast nur gegen DM-Zahlung serviert wurden. Pech fuer die Autorin, denn sie verfuegte wie die meisten DDR-Buerger nicht ueber die erwuenschte Waehrung und so musste sie das Hotel hungrig verlassen. Doch Jutta Voigt, selbst gelernte Buergerin der Deutschen Demokratischen Republik blickt nicht im Zorn auf den normalen Alltagswahn zwischen Rostock und Suhl und das tragikomische Schicksal seiner "Beutel-Buerger" zurueck. Sie betrachtet eher liebevoll den Aktionismus und fantasievollen Einfallsreichtum der sozialistischen Jaeger und Sammler und findet fuer die Beschreibung der Mangelwirtschaft in der DDR treffende, sarkastische Formulierungen, ohne dabei die nuechternen Tatsachen aus den Augen zu verlieren. " Die DDR war ein Sonntagsstaat. Ihre Staerke war die Ausnahme, ihre Schwaeche der Alltag. Ihr fehlte die Mitte. In allem." Besser kann man es gar nicht auf den Punkt bringen, wenn man an Zeiten ohne Wuerfelzucker, Kaffee oder Schokolade mit geringem Kakaoanteil, Intershops und Delikatlaeden denkt. In den teils subjektiven und teils sachlichen Text ueber die fuenfziger bis achtziger Jahre fliessen neben persoenlichen Erinnerungen, damals beliebten Rezepten ( Soljanka, Letscho, Wurstgulasch oder Kalter Hund) auch Recherchen ein, die Einblicke in die raetselhafte Struktur der DDR-Wirtschaft und das abstruse Denken der Genossen im Ministerium fuer Handel und Versorgung geben. Aufgedeckt wird, wie es zu dem seltsamen Widerspruch in der DDR zwischen Versorgungsengpaessen, also "Verzicht und Voellerei" kam und vor allem welche Befuerchtungen in der Regierung sich breit machten, wenn die Landeskinder vor leeren Verkaufsregalen stehen mussten. " Ich sage euch, Genossen, die Unruhen um den 17. Juni begannen mit der Erhoehung der Marmeladenpreise.", so der passionierte Jaeger Erich Honecker, der es als zu buergerlich empfand Wild zu essen. Die Marmeladenpreise blieben ueber Jahre hin raetselhaft stabil, wie auch die anderer wichtiger Grundnahrungsmittel. Nach Jagdwurst musste Frau nicht auf die Jagd gehen, Soljanka, die "Suppe des Sozialismus" gab es sehr verlaesslich in allen HO-Gaststaetten und die spezielle Zuechtung aus verschiedenen Huehnerrassen, der Broiler, sollte die Luecke beim Fleischbedarf schliessen. Der DDR-Mensch war es gewohnt sich mit dem Unperfekten zu arrangieren, was blieb ihm auch anderes uebrig. Jutta Voigts skurrile und doch so treffende Beschreibung des DDR-Alltags ( Alles war ja auch nicht so schlecht. Immerhin hat eine erfolgreiche Broiler-Bar in Warnemuende bis heute ueberlebt.) weckt viele Erinnerungen beim Leser und darauf kommt es an. Wer kannte schon die Verkaufskunde von Alfred Kollmann, 1956 in Leipzig veroeffentlich? Alle Worte, die das Bedienen bezeichnen setzte Kollmann in Anfuehrungsstriche. Die neue Art des Zusammenlebens im Sozialismus zeichnete sich durch Gleichberechtigung aus. " Auf diese Weise haben sie sich gegenseitig die Hoelle heiss gemacht, die Verkaeuferin dem Kunden und der Kunde der Verkaeuferin." Aber die Zeiten haben sich ja grundlegend veraendert. Heute kommt es nicht mehr darauf an, was gekauft wird, sondern wo. Und Unterschiede im Geschmack gibt es bei den Deutschen immer noch: " Die Forscher haben herausgefunden, dass Ostdeutsche noch immer einen anderen Geschmack haben als Westdeutsche; kraeftiger, schaerfer, direkter, 'arbeiterlicher'. "
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Belletristik | |||||||||||||||||
Ian McEwan: Saturday | |||||||||||||||||
Jutta Voigt: Der Geschmack des Ostens | |||||||||||||||||
Tilman Spreckelsen ( Hg.): Mein Vater, der Held. | |||||||||||||||||
Zeruya Shalev: Späte Familie | |||||||||||||||||
CD's - CD-ROM
Amos Oz: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis |
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Jugendbuecher | |||||||||||||||||
Martha Heesen: Die Nacht, als Mats nicht heimkam | |||||||||||||||||
Tahar Ben Jelloun: Papa, woher kommt der Haß? | |||||||||||||||||
Kinderbuch | |||||||||||||||||
Karin Koch, Andre Roesler: Emil wird sieben | |||||||||||||||||
Deutscher Spielfilm "Die Wilden Huehner" nach dem Roman " Fuchsalarm" von Cornelia Funke |
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Sachbuecher | |||||||||||||||||
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