REZENSION |
Januar 2006 | ||||||||||||||||
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REZENSION | |||||||||||||||||
Ian McEwan: Saturday, Aus dem Englischen von Bernhard Robben, Diogenes Verlag, Zuerich 2005; 386 S., 19,90 Euro "Solange es nichts Neues gibt, ist alles in Ordnung.", hofft Henry Perowne, Neurochirurg, 48 Jahre alt und gluecklich verheiratet mit Rosalind, einer erfolgreichen Anwaeltin. Er ist der Vater zweier erwachsener, musisch begabter Kinder und der Held des Romans. Fuer Perowne scheint der Terror, der aus den Koepfen der Menschen nicht mehr wegzudenken ist, eher eine Entgleisung zu sein: "...die Welt wird sich gewiss wieder beruhigen", wenn dies auch mit Glueck einhundert Jahre dauern wird. Doch seit "Nine Eleven" ist nichts mehr in Ordnung, denn an dem Attentat auf das World Trade Center kommt kein Autor vorbei, der sich die reale Gegenwart als Gegenstand seiner Reflexionen waehlt. 24 Stunden bleibt der Leser an Perownes Seite. Sein freier Tag, ein Samstag, beginnt schon vor Anbruch unheilverkuendend, denn er glaubt, von seinem Fenster aus ein brennendes Flugzeug am Himmel zu sehen, dass den Londoner Flughafen anpeilt. Aus den Nachrichten erfaehrt Perowne dann spaeter, dass es ein Unfall war. Doch die latent dunkle Grundstimmung des Romans ist mit dieser Einleitung bereits vorgegeben - als haette Ian McEwan den Bombenanschlag 2005 auf die Londoner U-Bahn vorausgesehen. Die unvermutet losschlagende, an jeder Ecke lauernde Gewalt dringt in die Gedankenwelt der Menschen ein, schafft ein diffuses Angstgefuehl und kann jeden treffen. Aber zunaechst unterhaelt sich Henry Perowne mit seinem Sohn, der Bluesmusiker ist, spielt ungewohnt aggressiv Squash mit einem Kollegen, denkt an Tochter Daisy, eine vielversprechende Lyrikerin, die aus Paris anreisen wird, besucht die demenzkranke Mutter, um dann den Fisch fuer das Familientreffen am Abend zu kaufen. Er ueberdenkt seine letzten Operationen. Der britische Autor McEwan hat zwei Jahre in einem Krankenhaus bei einem Neurochirurgen hospitiert und versteht es faszinierend die Spezifitaet dieses komplizierten Organs metaphernreich in seinen Handlungsverlauf zu verweben. Doch in Perownes Tag hinein, die Friedensdemonstration gegen den bevorstehenden Irak-Krieg ist in vollem Gange, platzt eine ungluecklicher Zusammenstoss, der im engen Stadtverkehr schon vorkommen kann. Dieser Unfall aber, sein Mercedes hat einen kleinen Kratzer, birgt eine andere Qualitaet, denn Perowne wird von den Insassen des Wagens, den er gerammt hat, koerperlich bedraengt. Baxter, einer der Kleinkriminellen, leidet an einer vererbten, neurodegenerativen Krankheit. Perowne erkennt dies sofort, spricht seinen brutalen Widersacher daraufhin an, verunsichert ihn und kann der bedrohlichen Situation entkommen. Der Tag geht weiter und doch ahnt der Leser, dass er kein gutes Ende nehmen kann. Perowne philosophiert in inneren Monologen ueber das Kriegsthema, erinnert sich an die erste Begegnung mit seiner Frau, spuert die Traurigkeit beim Anblick seiner Mutter und setzt sich mit den Terroristen auseinander. Doch beim Shoppen hat ihn die Wirklichkeit wieder. " Nicht der Rationalismus besiegt die religioesen Fanatiker, sondern der gewoehnliche Einkauf mit allem, was dazugehoert - Jobs unter anderem, aber auch Frieden und erfuellbare Wuensche, Verheissungen, die in dieser Welt wahr werden und nicht erst in der naechsten. Lieber Einkaufen als Beten." Der Abend beginnt und mit ihm kommen zum verabredeten Treffen nicht nur die Familienmitglieder zusammen, auch Baxter dringt puenktlich in Perownes Londoner Haus ein, bewaffnet mit einem Messer. Ian McEwan ist ein grosser Epiker, er versteht es die narrativen Strippen zu ziehen und den Leser in die so alltaeglich scheinende Geschichte hineinzuziehen und nicht mehr loszulassen. Ein bitterer Geschmack bleibt, obwohl McEwan virtuos den dunklen Eindringling aus der gut situierten buergerlichen Gemeinschaft hinausdraengt. Niemand kommt aeusserlich zu Schaden und doch.... " Am Ende dieses Tages, nach diesem einzigartigen Abend, ist er furchtsam, verletzlich, zieht sich immer wieder den Bademantel eng um sich.....Jetzt hat er nichts als Angst. Er ist schwach und unwissend, erschrocken darueber, wie sich die Folgen einer Tat der Kontrolle entziehen und neue Ereignisse hervorbringen, neue Folgen, bis man an einen Punkt gelangt, den man sich nie traeumen liess und fuer den man sich auch nie entschieden haette - ein Messer am Hals."
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Belletristik | |||||||||||||||||
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