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REZENSION

JUGENDBUCH

Joyce Carol Oates: Mit offenen Augen, Carl Hanser Verlag, Muenchen 2005, Seiten, 15,90 Euro

Francesca nennt sie nur ihre Mutter. Sie moechte gern Franky genannt werden, so wie ihr beruehmter Vater, der Sportjournalist, den alle aus dem Fernsehen kennen, sie ruft. Doch seit dem brutalen Uebergriff waehrend einer Party, Franky entgeht knapp einer Vergewaltigung, ist da noch jemand aufgetaucht, und das ist Freaky Green Eyes, die starke Seite ihrer Persoenlichkeit. Franky Pierson lebt in einem behueteten Haushalt in der gutsituierten amerikanischen Gesellschaft Seattles. Hinter der reichen, harmonischen Fassade der Piersons jedoch verbirgt sich die private, gut verborgene, dominiert vom tyrannischen Vater Reid Pierson. Er ist das unangefochtene, geliebte Oberhaupt der Familie. Die Ehre und der Zusammenhalt der Familie nach aussen sind ihm heilig. In einem psychologisch feinen Gespinst aus Gewalttaetigkeiten, masslosen Liebesbeteuerungen, Einschuechterungen und Demuetigungen hat der vaeterliche Alleinherrscher alle drei Kinder und seine Frau fest im Griff: den zwanzigjaehrigen Todd, Sohn aus erster Ehe, seine Mutter ist angeblich frueh bei einem Unfall ums Leben gekommen, Franky, ihre Schwester Samantha, 10 Jahre, und seine Frau Krista. Krista beginnt sich mit zaghaften Schritten aus dem friedvoll scheinenden Familienleben abzusetzen, um sich ihre eigene Welt einzurichten. Fernab der Familie hat sie sich eine Werkstatt fuer ihre kuenstlerischen Ambitionen eingerichtet und kann sogar in einer Galerie ihre Sachen ausstellen. Dieser Ort dient der Mutter aber auch zur Heilung ihrer eigenen Seele. Die Maedchen bedauern die egoistischen Fluchten der Mutter und den Vertrauensbruch. Durch die manipulativen, wohldosierten Attacken des Vaters, der die Kinder auf seiner Seite wissen will, setzt langsamer Hass gegen die abwesende Krista ein. Franky aber ahnt, dass hinter den langen Blusen und Schals, die die Mutter traegt, Wunden verborgen sind. Phasenweise tauchen aus der Erinnerung Kindheitsszenen von sogenannten Displinierungsmassnahmen durch den Vater auf, der Schwaeche oder Widerspruch nicht ertragen kann. Joyce Carol Oaetes zeichnet das Psychogramm eines intoleranten, aggressiven Machtmenschen, der mit viel Charme und Intelligenz seine Umgebung beeindruckt und taeuscht. Franky will ihren Vater nicht mit offenen Augen sehen, Freaky Green Eyes ist eher dazu in der Lage. Die Spannungen bei den Piersons nehmen zu und dann ist Krista ploetzlich verschwunden. Die 15-jaehrige Franky erzaehlt aus ihrer Sicht von den tragische Ereignissen in ihrer Familie, deren Dramatik sich der Leser nicht entziehen kann. Joyce Carol Oates hat wiederum, wie schon in ihrem Jugendroman "Unter Verdacht" einer starken Maedchenfigur eine Stimme gegeben.

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