SUMMER 2005 |
REZENSION |
KINDERBUCH | ||||||
HISTORISCHE BILDERBUECHER, ROMANE und SACHBUECHER FUER KINDER UND JUGENDLICHE Monika Zuend: Kleopatra, Annette Betz Verlag, Wien 2005, 9,95 Euro Grosse Pyramiden, riesige Tempel, Kolossalstatuen, geheimnisvolle Graeber, legendaere Ausgrabungen und das Leben der Pharaonen faszinieren, wenn man sich mit dem sagenumwobenen Land Aegypten beschaeftigt. Historische Sachbilderbuecher gerade zu diesem Thema fuer die kleineren Bilderbuchkonsumenten sind in der Regel rar im Angebot der Verlage. Monika Zuend und Marianne Meyer Bianchi widmen sich in ihrem Buch dem Leben der beruehmten Kleopatra, der letzten Pharaonin des legendaeren Aegyptischen Reiches. Sie traeumte von der Grossmacht Aegypten, die ueber den Orient hinaus wieder regieren wuerde. All ihren Ehrgeiz, ihre Bildung und ihren Charme stellte sie ihrem Reich zur Verfuegung, wurde mit 18 Jahren Herrscherin und setzte auch ihre weiblichen Finessen fuer ihre Plaene ein. Immer den kindlichen Betrachter im Blick wird vom wechselvollen Leben der Prinzessin und Pharaonin berichtet, von den religioesen Ritualen, ihrem Willen zum Machterhalt und den heiligen Tieren. Caesar schenkte sie einen Sohn. Nach dem Mord an dem roemischen Herrscher wurde sie die Geliebte des Roemers Marcus Antonius und hoffte mit seinen kriegstechnischen Faehigkeiten verlorene Gebiete zurueck zu gewinnen. Keine ueberladenen Illustrationen, sondern flaechige, filigrane, farbreiche Zeichnungen, die zum Abmalen geradezu geeignet sind, begleiten die Lebensbeschreibung der grossen Kleopatra. Aus welchem Grund jedoch der sagenhafte Selbstmord der Pharaonin, sie liess sich von einer Giftschlange beissen, ausgespart bleibt, waere zu klaeren. Den Abschluss des Bilderbuches kroent ein Ausflug in die Welt der raetselhaften Hieroglyphen. Mit Hilfe der Schrift koennen Kinder ihren eigenen Namen in dieser einmaligen Bildsprache schreiben. Christian Jacq: Die Braut des Nils, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2005, 11,90 Euro Pharao Ramses der Zweite ist der Herrscher ueber das bluehende Land Aegypten. Wohlstand und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand, so auch der Glaube der Bevoelkerung, bis der junge Kamos und seine Eltern von einem angeblich siegreichen Soldaten aus ihrem Haus gejagt werden und gezwungen fuer ihn zu arbeiten. Der Heisssporn Kamos kann diese Demuetigung nicht hinnehmen. Er setzt all seine Kraft ein, um zu beweisen, dass ein Irrtum geschehen sein muss. Er will dafuer sorgen, dass der Pharao seinen Befehl zuruecknimmt und die Gerechtigkeit wieder herstellt. Er begibt sich nach Theben in den Tempel von Karnak, wird ein gelehriger Handwerksgeselle und sogar Schreiberlehrling. Der Gerechtigkeit wird genuege getan, man ahnt es schnell und ist nicht mehr ganz bei der Sache. Leider erzaehlt Christian Jacq, bekannt durch seine unterhaltsam geschriebenen Sachbuecher ueber Aegypten und die Pharaonenzeit fuer Kinder und Jugendliche, hoelzern und ohne jegliche Spannung. Seine Figuren sind nicht greifbar und schon gar nicht ueberzeugend. Empfehlenswerter ist eher sein Sachbuch " Die Pharaonen erzaehlt von Christian Jacq ", erschienen im Carl Hanser Verlag, denn in dieser informativen Reise durch die Geschichte Aegyptens stehen die Fragen im Mittelpunkt und keine fiktive Handlung, die durch Sachinformationen transportiert wird. Karen Cushman: Rodzina, Deutscher Taschenbuch Verlag, junior extra, Muenchen 2005, 7,50 Euro 1881. Rodzina Clara Jagwiga Anastazya Brodski hat ihre Familie mit 12 Jahren verloren. Die Brueder starben durch einen Brand, ein Unfall verursachte den Tod des Vaters und zuletzt starb die Mutter an einer schweren Krankheit. Nun sitzt das Maedchen mit vielen anderen Waisen und verwahrlosten Kindern in einem Zug, der von Chicago aus in den Westen faehrt. " Ich hatte das Gefuehl, als wuerde ich aus dem Fenster im siebten Stock springen, ohne zu wissen, ob unten jemand stand, der mich auffing." Rodzina und die anderen Kinder sind auf der Suche nach einer Familie, allerdings ahnen sie, dass die Leute, die sie barmherzig aufnehmen sollen, sie nur als billige Arbeitskraefte benoetigen und gnadenlos ausbeuten werden. Und Rodzina taeuscht sich nicht, denn der Vermittlungsagent von der Vereinigung der Hilfsorganisation und die mitreisende Kinderaerztin, so Rodzinas Eindruck anfaenglich, betrachten die Kinder nur als Ware, die man um jeden Preis unter den Hammer bringen muss. Von einer Station zur naechsten fuehrt der Zug die Kinder in die ungewisse Zukunft. Rodzina ist die Erzaehlerin der Odyssee und aus ihrer Sicht durchlebt der Leser auch ihre Qualen, die liebevollen Erinnerungen an die noch aus Polen eingewanderten Eltern und die Angst vor der Einsamkeit. " Auf ein Neues, dachte ich. Ich fuehlte mich wie ein Schinken, der beim Metzger haengt, ganz rosa und saftig, und darauf wartend, dass ihn jemand kauft. " Den alten Frauen Peony und Oleander kann Rodzina noch entgehen, bei der Grossfamilie um den gefuehllosen Mr. Clench, die in einem verwanzten Erdloch lebt und sich von Schlangen und Praeriehunden ernaehrt, sieht es schon schwieriger aus. Das Maedchen soll die Kinder hueten, den Haushalt versorgen und scheint fuer Mr. Clench auch die geeignete neue Frau zu sein, wenn seine durch Krankheit dahingeraffte Ehegattin erstmal tot ist. Rodzina erhaelt einen Eindruck vom entbehrungsreichen Leben im Westen und kann auch diesem Schicksal entgehen. Sie sieht die rechtlosen Indianer und lernt eine bestellte Braut kennen, die im Westen auf ihr Glueck hofft. Aber Rodzina ist stark und unbeugsam, sie hat sich durch das Leben auf der Strasse in Chicago einen harten Panzer zugelegt und wird sich nicht so leicht unterkriegen lassen. Wenn der Zug in Kalifornien haelt, hat sich auch ihre Zukunft entschieden. Karen Cushman ist eine routinierte Autorin historischer Romane. Ihre spezielle Vorliebe gerade fuer Maedchenschicksal hat sie bereits in " Matilda Bone" oder " Die Ballade von Lucy Wipple" unter Beweis gestellt. Ihre Geschichte um Rodzina basiert auf der wahren Existenz der Waisenzuege, die in der Zeit von 1850 bis 1929 fast 250 000 heimatlose Kinder vom Osten in den Westen des Landes transportiert haben. DER KINDERBROCKHAUS - Mein erstes Wissen: Leben auf der Ritterburg, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim 2005, 12,95 Euro ( ab 5 Jahren) Die Ritter und ihr Leben auf der Burg ist ein beliebtes Sachbuchthema, besonders fuer Jungen in jedem Alter ein Muss. Informativ und vom Text nicht ueberladen, versucht Mira Hofmann in " Leben auf der Ritterburg" alle Bereiche des hoefischen Lebens vom Burgherren bis zum Kuechenjungen zu praesentieren. Doppelseitige Panoramabilder leiten zu den Themen hin und in kurz gehaltenen ab und zu von Fragen eingeleiteten Erlaeuterungen, sich mit der Ritterruestung, dem Ritterdasein, den Handwerkern auf der Burg, den Freizeitbeschaeftigungen der Ritter, dem Tournier, den Waffen und dem Kampf um die Verteidigung der Burg beschaeftigen. Hinter duennen Pappklappen verbergen sich neue Informationen. Fragen, die beantwortet werden sollen, vertiefen das bekannte Wissen. Eine witzige Idee ist das Auftauchen des kleinen, dicken Ritters, mit dem sich Kinder sofort identifizieren und ihn bereitwillig auf jeder Seite willkommen heissen. Schade, dass man sich in keinem Rittersachbuch den Raubrittern zuwendet, denn auch sie haben ihren Platz in der Geschichte. Guenther Jakobs Illustrationen erzaehlen lebendig von der vergangenen Zeit. Bei den Fragen und Suchbildern wuenscht man sich jedoch mehr Klarheit in der Ausstattung, denn die Unkenntlichkeit mancher Details koennte zu Unstimmigkeiten fuehren. Alfred Bekker: Tatort Mittelalter - Verschwoerung gegen Baron Wildenstein, Ueberreuther Verlag, Wien 2005 Historisch gesehen ist die Zeit der Ritter, das Mittelalter, fuer viele Jungen, aber auch Maedchen eine spannender Geschichtsabschnitt. Alfred Bekker nutzt seine Kriminalerzaehlung ueber das Verschwinden einer ueberaus wertvollen frisch abgeschriebenen Bibel, um dem Leser gut verpackt eine Geschichtslektion ueber die Staendegesellschaft, die hoefische Ausbildung der Pagen und Knappen, kurz der Lebensweise auf einer Burg zu erteilen. Im Mittelpunkt steht der 10-jaehrige Wolfram von Hauenfels, der am Hofe von Norbert von Wildenstein als Page taetig ist. Mit 14 Jahren soll er Knappe werden, um dann einst zum Ritter geschlagen zu werden. Baron Wildensteins Lehnsherr Graf Gernot von der Tann kuendigt sich an, um die von ihm in Auftrag gegebene Bibel abzuholen. Doch im Kloster angekommen, ist das Evangeliar wie vom Erdboden verschwunden. Sogleich faellt der Verdacht auf Pater Ambrosius, der die Bibel mit sieben Siegeln verschlossen hat und hueten sollte. Wolfram kennt den Moench und kann nicht glauben, dass er aus reiner Buecherliebhaberei zu solch einer Tat faehig waere. Ein Fall fuer Wolfram, der auch schnell die Spur der Diebe aufnimmt. Richtig spannend ist der Krimi nicht, denn allzu schnell ist der Abortreiniger Reinhard in Verdacht. Nichtsdestotrotz ist diese fiktive Geschichte ueber Pagen, Knappen, Ritter und auch niedere Staende lebendig geschrieben und vor allem mehr als nur eine Bebilderung der allzu bekannten Sachbuecher ueber diese Zeitepoche. Rebecca Hohlbein: Der Sohn des Waffenmeisters, Verlag Carl Ueberreuther, Wien 2005, 14,95 Euro Spannendes Lesefutter verspricht dieser historische Roman, der den nicht gerade empfindlichen Leser sofort in die rauhe Welt des Mittelalters zieht und festhaelt. Als Eva noch ein Kind ist, wird ihr Vater, der Bauer Widukind, vom hartherzigen, machtbesessenen Baron Berthold von Borsten mitleidlos getoetet. Zehn Jahre spaeter begegnet sie ueber alle Staende hinweg dem Sohn des Waffenmeisters, Bernhard von Hingen, dessen Freund und Arbeitgeber Graf Alexander von Rueden Bertold einen Besuch abstattet und in eine Falle tabt. Die Machtgier, Willkuer und Lust am Intrigenschmieden haben den schwarzen Baron und den Erzbischof zusammengefuehrt, um sich Alexanders Land und Grafentitel einzuverleiben. Alexander, eher ein wortgewandter und gutglaeubiger Herrscher, hatte durch einen Mordanschlag seinen aelteren Bruder und Vater verloren. Seine Unerfahrenheit wird ihm nun zum Verhaengnis. Auch der waffengewandte und etwas selbstsuechtige Freund Bernhard und erste Ritter des Grafen kann Alexander nicht beschuetzen. Die Handlung eskaliert als Alexander von Bertold zum Tode verurteilt wird, weil er angeblich ein Bastard ist. Rebecca Hohlbein erzaehlt eine spannende, straff konzipierte Geschichte, um Willkuer, Liebe und Machtbessenheit. Sie beschreibt detailverliebt, fast routiniert und manchmal etwas zu blumig ausgeschmueckt die handelnden Personen und die Zeit, in der sie agieren.
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