Das 27. Kinderfilmfest bietet mit seinen 19 Kurzfilmen, als eigenstaendige kuenstlerische Kategorie, Einblicke in verschiedene Bereiche. Im Programm treffen realistische Beitraege aus Israel, Italien und Bosnien Herzegowina, die den Zuschauer zum Blick ueber den Tellerrand zwingen, auf witzige Animationsfilme aus Slowenien, Deutschland oder Frankreich und Alltagsbeobachtungen aus Daenemark oder Australien. Den leuchtend, starken Farbstrich des franzoesischen Zeichners und Autors Gregoire Solotareff, der durch seine Kinderbuecher in Deutschland bekannt geworden ist, begegnet der Zuschauer in der Geschichte von "Loulou". Ein kleiner Wolf muss so einiges von seinem Papa lernen. Doch was geschieht, wenn er nicht mehr da ist und Loulou ploetzlich im grossen, dunklen Wald allein zurechtkommen soll? Dass der kleine Wolf Loulou nicht der Freund des Kaninchens Tom werden kann, ist ja klar. Oder? Bei aller Liebe zu den ausdrucksstarken Bildern in kraeftigen roten und gelben Toenen, sind die Tiergeschichten, in denen Feinde zu Freunden werden langsam ein abgegriffenes Thema, auch wenn Wolf Loulou am liebsten Mousse au Chocolat frisst. In dem franzoesisch-kanadischen Animationsfilm "Rauf und runter" sind die Fronten da schon klarer: Fressen oder gefressen werden heisst das Motto der Piraten. Einen Platz fuer sentimentale Anwandlungen kann sich der Kapitaen nur in seiner Kajuete ganz unten erlauben, aber auch dort lauern die Feinde schon.
Der Animationsfilm "Pantoffelhelden" von Susanne Seidel erzaehlt in acht Minuten eine dem Leben abgeluchste komische Geschichte. Der Held ist ein verknallter, vor Liebe blinder Frosch, dessen Angebetete auf dem Schuh der Baeuerin angenaeht jeden freundlich anlaechelt. So wie der Froschmann ein Auge auf die starre Geliebte geworfen hat und er bald seinen Irrtum enttaeuschend erkennen wird, so beobachtet schon lang der Storch aus der Ferne seine huepfende Mahlzeit. Rasant schnell flitzen die Bizzies ueber die Leinwand in der slowenischen Produktion "Die Bizzies und die Kirschen". Die vogelaehnlichen Figuren sind wild auf Kirschen, die hoch am Baum fuer sie unerreichbar scheinen. Weder Fluchen noch Bitten noch der Eigenbau eines Flugzeugs schafft Abhilfe. Eine ungewoehnlich einfache Loesung laesst dann die Kirschen purzeln.
"Kleiner Papa", ein 12-minuetiger Film aus Daenemark, spielt mit der Allmacht der Erwachsenen, die voellig andere Zeitvorstellungen haben als Kinder. Jeden Samstag beim Einkauf in der Stadt spielt sich das Gleiche ab. Der Vater unterhaelt sich staendig mit Leuten, die er trifft. Aber wenn die Tochter verweilen moechte und spielen, dann heisst es: Wir muessen nach Hause. Als das Maedchen wieder gelangweilt neben dem redenden Vater steht, ersinnt sie eine List, damit er endlich seine Aufmerksamkeit ihr schenkt. Aber bei Erwachsenen ist oftmals jegliche Muehe umsonst.
Felix Goennert kam auf die Idee fuer seinen computeranimierten Kurzfilm "Lucia" beim Betrachten von Roentgenbildern. Das neugierige kleine Maedchen Lucia spaziert in der Nacht durchÕs Krankenhaus und betrachtet Roentgenbilder. Hinter diesen unheimlichen Geisterbildern entstehen in ihrer Fantasie immer wieder neue Formen und Figuren, die nicht mehr an Krankheit oder Tod erinnern.
Das dicke Gedanken-Bilder-Buch "Gewitternacht" von Michele Lemieux, das in der Form einem Skizzenbuch gleicht, erhielt 1997 eine Nominierung fuer den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nun hat die kanadische Kuenstlerin ihre Bildideen zum Laufen gebracht und eindrueckliche Szenen geschaffen, die voller Situationskomik stecken, aber auch zum Nachdenken anregen und zum Dialog. Ein Maedchen hoert des Nachts mit ihrem Hund zusammen den Sturm toben. Donner und Blitze versetzen sie in Angst. Doch die Furcht loest auch Gedanken und Fragen aus, die sich Kinder in einsamen Momenten stellen: Wer hat sich das Aussehen des allerersten Menschen ausgedacht? Gibt es das Ende der Welt? Was ist der Tod? Was ist, wenn das Leben nur ein Traum ist? Existentielle philosophische Fragen werden durchgespielt und regen nicht nur die Kinderfantasie an.
Niemand kann ahnen wozu Kummer, Leid und Krieg Eltern treiben kann. Ein albanischer Vater faehrt mit seinem Sohn von Mazedonien aus nach Venedig, um ihn dort allein zu lassen, in der Hoffnung, dass er von den Nonnen des Klosters aufgenommen und versorgt wird. Eine folgenschwere Entscheidung. Der italienische Kurzfilm von James Pellerito "Ebbe und Flut" erzaehlt mit wenigen Worten und Bildern eine beruehrende Geschichte.